So solltest du deine hydroponische Farm NICHT bauen:

Tillmann Stickler
4 min readJul 8, 2021

Vor ungefähr zwei Jahren setzte ich mich das erste Mal mit Vertical Farming und der dazugehörigen Hydroponik auseinander. Da ich einen Hintergrund in der Biologie habe, waren Pflanzen sowieso schon immer etwas Spannendes für mich. Als Kind einer Großstadt liebe ich aber gleichermaßen Hochhäuser und urbane Strukturen. So schien mir die vertikale Landwirtschaft wie die perfekte Hochzeit beider Vorlieben. Schnell war mir klar, dass das Vertical Farming eine Art Revolution für unsere Landwirtschaft sein wird, Science (Fiction) trifft Ackerbau. Die Betonung liegt auf “wird”, da wir technologisch erst Stück für Stück an eine wirklich nachhaltige Form des Vertical Farmings kommen.

Doch das störte mich nicht, ich las (fast) jeden Artikel zu Vertical Farming und Hydroponik und so wuchsen meine Träume von einer Skyline bestehend aus Hochhäusern in denen Sommer wie Winter frisches, leckeres Gemüse und Obst wächst. Aber wie bei allen Dingen, man* sollte klein anfangen und nicht sofort Luftschlösser bauen.

Also fing ich an, mich über hydroponische Systeme für zu Hause zu informieren und war fast erschlagen von den vielen verschiedenen Möglichkeiten, sich in seinem Eigenheim ganz ohne Erde (fast) selbst zu versorgen.

Da mir jedoch in der Wohnung der Platz und auf dem Balkon die Sonne fehlte, schob ich meine Vision von meiner eigenen kleinen Farm auf die lange Bank. Zu viel Ehrfurcht hatte ich davor, mir all das Equipment zuzulegen, die Pflanzen anzuzüchten und sie am Ende doch in die Biotonne werfen zu müssen.

Doch mich ließ das Thema einfach nicht los. Immer wieder stieß ich auf neue Videos und Artikel, die von DIY-Systemen erzählten, bei denen kaum etwas schiefgehen konnte. Und so fasste ich mir ein Herz und wagte mich an mein erstes Projekt. Ich entschied mich mit dem “Einsteiger*innen”-System anzufangen und wählte die Art der Tiefwasser-Kultur. Hierbei wird ein Tank (Plastikbox) mit Nährstofflösung gefüllt und die Pflanzen werden in mit Substrat gefüllten Netztöpfen oben aufgesetzt. Als Substrat wählte ich Steinwolle. Die Samen der Pflanzen (Salat, Minze, Kapuzinerkresse) zog ich in Kokospellets an, und transferierte sie nach 1–2 Wochen in die Töpfe, sodass die Wurzeln unten aus den Töpfen in die Nährlösung ragten.

Der ganze Aufbau landete wegen Platzmangels dann aber doch auf meinem Balkon. Auf diesem habe ich am Tag ca. 3–4 Stunden direktes Sonnenlicht und sonst sehr viel Schatten. Nicht ganz optimal dachte ich mir…aber was solls, nachher ist man* immer schlauer!

Die ersten paar Tage liefen super. Es schien so, als würden die Pflanzen die Nährlösung gut aufnehmen und brav weiterwachsen. Gerade die Kapuzinerkresse legte ein ordentliches Tempo an den Tag. Ich nahm einmal pro Tag den Deckel ab, um die Nährlösung mit einer Schaumkelle etwas durchzuwirbeln, damit neuer Sauerstoff in die Flüssigkeit gelangt.

Doch leider hatte ich mich zu früh gefreut. Es gab die ganzen nächsten Wochen viel Regen, Gewitter und Sturm, und die kleinen Grünlinge wurden ordentlich strapaziert. Das Wetter gehört jedoch auch dazu, und so hoffte ich, dass meine Pflänzchen diese trüben Tage überstehen würden. Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht bewusst, welche Fehler ich außerdem gemacht hatte.
Erfreulicherweise verbesserte sich das Wetter danach schlagartig und es gab wieder viel Sonne und steigende Temperaturen. Doch meine Pflänzchen schienen von dem heiteren Wetter völlig unbeeindruckt zu sein. Sogar meine prächtigste Kapuzinerkresse ließ ihre Blätter hängen.

Als ich die Wurzeln kontrollierte, stellte ich mit erschrecken fest, dass kaum mehr gesunde Wurzeln vorhanden waren, und das Wasser eine leichte Trübung aufwies.

Also begann ich mit der Fehleranalyse. Ein Fakt war mir beim Blick ins und aufs trübe Wasser sofort klar, es war zu wenig Sauerstoff in dem Tank. Ursprünglich wollte ich mir die Luftpumpe sparen und dachte es genüge einmal am Tag die Lösung ordentlich aufzuschäumen, doch musste nun leider feststellen, dass bei einer Tiefwasser-Kultur die dauerhafte Luftzufuhr unabdingbar ist.

Außerdem hatte ich jedoch einen weiteren Fehler gemacht. Ich hatte eine lichtdurchlässige Box & Deckel gekauft. Dadurch kam es zu starkem mikrobiellem Wachstum in der Nährlösung, was für ein hydroponisches System oftmals das Aus bedeutet.

Für meine nächste Farm habe ich also einiges gelernt und kann euch so hoffentlich vor einigen Fehlern bewahren.

Mein Fazit bezieht sich zwar nur auf Tiefwasser-Kulturen, lässt sich jedoch indirekt auf alle hydroponischen Farmen übertragen. Die Nährstofflösung sollte in ständiger Bewegung sein, um mit Sauerstoff angereichert zu werden und um mikrobielles Wachstum zu vermeiden. Außerdem sollte die Box oder der Tank möglichst steril und lichtundurchlässig sein, um Verunreinigungen jeglicher Art auszuschließen. Trotzdem bin ich froh, dass ich es gemacht habe, denn nur so konnte ich die oft gelesene und trotzdem missachtete Theorie am eigenen Leibe erfahren und lernen, worauf ich achten muss. Also probiert es einfach mal aus!

Und zu guter Letzt, der wichtigste Punkt für mich:

Effizientes Vertical Farming bzw. Hydroponisches Farming ist nur dann völlig kontrollierbar, wenn man feste Rahmenbedingungen schafft. Ein schlecht beleuchteter Balkon ist dafür ein denkbar schlechter Ort. Wird so eine Farm jedoch Indoor betrieben, so kann man* Licht, Luft und Verschmutzung viel besser kontrollieren und/oder vermeiden. Ich werde also einen Platz in meiner Wohnung finden müssen, um einen neuen Versuch zu starten.

Bis zum nächsten Projekt!

Ich freue mich, wenn ihr wieder dabei seid.

--

--

Tillmann Stickler

Wort-Jongleur mit dem Anspruch euch wissenschaftlich fundierte, aber verständliche Artikel über den Planeten Erde, Landwirtschaft und Ernährung zu präsentieren